[Rezi] Suzanne Collins – Das Lied von Vogel und Schlange [Die Tribute von Panem]
Klappentext
Ehrgeiz treibt ihn an. Rivalität beflügelt ihn. Aber Macht hat ihren Preis. Es ist der Morgen der Ernte der zehnten Hungerspiele. Im Kapitol macht sich der 18-jährige Coriolanus Snow bereit, als Mentor bei den Hungerspielen zu Ruhm und Ehre zu gelangen. Die einst mächtige Familie Snow durchlebt schwere Zeiten und ihr Schicksal hängt davon ab, ob es Coriolanus gelingt, seine Konkurrenten zu übertrumpfen und auszustechen und Mentor des siegreichen Tributs zu werden.
Die Chancen stehen jedoch schlecht. Er hat die demütigende Aufgabe bekommen, ausgerechnet dem weiblichen Tribut aus dem heruntergekommenen Distrikt 12 als Mentor zur Seite zu stehen – tiefer kann man nicht fallen. Von da an ist ihr Schicksal untrennbar miteinander verbunden. Jede Entscheidung, die Coriolanus trifft, könnte über Erfolg oder Misserfolg, über Triumph oder Niederlage bestimmen.
Innerhalb der Arena ist es ein Kampf um Leben und Tod, außerhalb der Arena kämpft Coriolanus gegen die aufkeimenden Gefühle für sein dem Untergang geweihtes Tribut. Er muss sich entscheiden: Folgt er den Regeln oder dem Wunsch zu überleben – um jeden Preis.
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Zitat
„Wenn die Leute, die ihn beschützen sollten, ein falsches Spiel mit ihm trieben…Wie sollte er dann überleben? Nicht, indem er ihnen vertraute, so viel war sicher. Aber wenn er ihnen nicht vertrauen konnte, wem dann?“ – Kapitel 8, Seite 142.
Meine Meinung
Auf „Das Lied von Vogel und Schlange“ von Suzanne Collins habe ich seit dessen Ankündigung hingefiebert. Ich habe die „Die Tribute von Panem“-Trilogie geliebt undschon länger gehofft, dass Collins etwas Neues veröffentlichen würde. Ein Panem-Prequel habe ich mir dabei aber nicht erträumt. Es gab ja einige negative Stimmen als bekannt wurde, dass niemand geringeres als Antagonist Präsident Snow diesmal der Protagonist sein würde. Für mich allerdings machte es das Buch noch reizvoller. Ich liebe Geschichten aus der Sicht moralisch grauer Charaktere, wie zum Beispiel auch in Tricia Levensellers „The Shadows Between Us.“ Wie aus Snow der wurde, als den wir ihn in „Die Tribute von Panem“ kennenlernen, war für mich daher äußerst reizvoll.
Das Buch ist in insgesamt drei Abschnitte eingeteilt, was ich auch im Nachhinein als sinnvoll betrachte. Bei über 600 Seiten sind es vom Inhalt her auch gefühlt drei Bücher. Die Befürchtung einiger war, dass Snow glorifiziert werden würde und das kann ich definitiv verneinen. Er wird vielschichtig dargestellt und hat auch ein paar gute Charaktereigenschaften, aber wie bereits im Klappentext erwähnt, geht es ihm eher darum seine Familienehre wiederherzustellen. Ja, Suzanne Collins zeigt auch Snows menschliche Seite, aber würde sie dies nicht tun, wäre der Charakter dann noch glaubwürdig? Zu gerne erkennen wir Diktatoren und Konsorten ihre Menschlichkeit ab und genau dies führt letztendlich dazu, dass sympathische Charaktere es immer und immer wieder schaffen Diktaturen aufzubauen. Denn kann jemand so nettes wirklich ein Mensch sein, der seine Ziele über das Wohl anderer stellt? Ja, aber genau das wollen viele nicht hören. Wie oft hört man bei Morden doch, dass man es dem Mörder nicht zugetraut hätte, weil er doch immer so nett war. Collins zeigt mit Snow als Protagonisten ganz klar, dass Nettigkeit nicht immer von Herzen kommt sondern eine Fassade sein kann, um den sozialen Status beizubehalten oder sogar zu erhöhen. Dahinter kann eine berechnende und egoistische Person stecken.
Was ich bereits öfter gelesen habe, ist, dass einige „Das Lied von Vogel und Schlange“ zäh finden. Ich kann verstehen, woher das rührt. Es gibt ein paar Actionszenen, aber sie sind für 600 Seiten doch eher rar gesäht. Nun kommt es natürlich darauf an, was man erwartet hat. Ich persönlich muss zugeben, dass es einige Stellen gibt, von denen man schon sagen kann, dass es Längen sind, andererseits würde ich diese dennoch nicht herauskürzen. Warum? Weil ich „Das Lied von Vogel und Schlange“ als eine Charakterstudie Snows sehe. Das Unheimliche ist, dass ich verstehen kann, weshalb er oftmals so handelt, wie er handelt. Immerwieder wird man dazu verleitet seine eigenen Werte und Ideologien zu hinterfragen. Bin ich wirklich so ein guter Mensch, wie ich von mir behaupte, oder ist doch mehr Snow in mir als ich denke?
Der eigentliche Star des Buches ist allerdings nicht Snow sondern sein Tribut aus Distrikt 12: Lucy Gray Baird. Es gibt ja bereits einige Theorien, ob und falls ja, wie sie mit Katniss verwandt sein könnte. Es gibt hier ein paar Hinweise, die daraufschließen lassen. Ansonsten ist Lucy Gray, ebenso wie Snow, ein vielschichtiger Charakter. Wir wissen natürlich nur das über sie, was sie Snow zeigt, aber ich glaube, dass auch hinter ihrer Fassade mehr steckt als das Mädchen, welches das Kapitol mit Singen und Unterhaltung für sich gewinnen konnte. Lucy Gray ist, meiner Meinung nach, Snow ähnlicher als man anfangs vermutet. Auch sie ist ziemlich berechnend in allem, was sie tut. Allerdings zeigt gerade diese Parallele letztendlich umso stärker, dass wir ein Ergebnis unserer Entscheidungen sind und selbst dafür verantwortlich sind, was wir aus unseren Leben machen.
Lucy Gray Baird ist ein Mitglied der Covey. Die Covey scheinen mir angelehnt an die Kultur der Sinti und Roma zu sein. Bevor die Distriktgrenzen geschlossen wurden, sind sie umhergezogen und verdienen sich ihr Geld hauptsächlich durch das Singen. Eine Tradition ist es, dass der erste Name aus einer Ballade und der zweite der einer Farbe ist. Lucy Gray jedoch ist nur nach der gleichnamigen Ballade von William Wordsworth benannt. In „Das Lied von Vogel und Schlange“ finden sich unheimlich viele Lieder, die perfekt in die Handlung sich einfügen und einen immer wieder spekulieren lassen, auf wen oder was sie sich eigentlich beziehen sollen.
Auch die Nebencharaktere möchte ich nicht vergessen. Das exakte Gegenteil zu Coriolanus Snow ist sein Klassenkamerad Sejanus Plinth. In jedem anderen Jugendbuch wäre er der Protagonist gewesen. Er stammt ursprünglich aus Distrikt 2 und hält die Spiele für abscheulich. Sein Vater hat ihm jedoch einen Platz als Mentor erkauft. Sejanus ist die Person für die sich wahrscheinlich die meisten Leser und Leserinnen halten, falls sie in einer ähnlichen Situation stecken würde. Er ist das glänzende Beispiel für Gutherzigkeit und Gerechtigkeit.
Weitere Nebencharaktere sind auch Snows Familie, oder eher das, was davon übrig geblieben ist. Da ist zu einem seine Großmutter, welche noch immer an den alten Prinzipien festhält, auch wenn den Snows nur noch ihr guter Ruf geblieben ist. Neben ihr gibt es noch Snows ältere Cousine. Da es direkt auf Seite 1 erwähnt wird, würde ich dies nun keinen Spoiler nennen, aber wir kennen die Cousine tatsächlich schon aus dem finalen Band der „Die Tribute von Panem“-Trilogie. Es ist niemand geringeres als Tigris. Ja genau die Tigris, welche Katniss bei sich versteckt. Auch hier wird nochmal klar, dass nur weil zwei Personen das gleiche Schicksal erlitten haben, sie sich nicht auch gleich entwickeln müssen. Tigris hat sich der Situation angepasst, dass sie nicht mehr reich sind, während Coriolanus, wie auch seine Großmutter, an der alten Zeit festhält und auf Biegen und Brechen versucht, diese wiederherzustellen.
Suzanne Collins Schreibstil fand ich wieder genauso packend wie in der originalen Trilogie. Ich konnte „Das Lied von Vogel und Schlange“ eigentlich so gut wie gar nicht aus der Hand legen. Wer allerdings nur mal schnell ein Kapitel lesen möchte, wird noch ein weiteres Problem haben. Die Kapitel sind ziemlich lang, so dass es definitiv keine Geschichte ist, die man gut in kleinen Happen lesen könnte. Also nehmt euch Zeit.
Ein bisschen Kritik habe ich allerdings auch. Nicht an der Geschichte, aber an der deutschen Ausgabe. Ich finde es zwar ein schönes Detail, dass man eine Pappklappe mit den verschiedenen Symbolen gedruckt hat, allerdings habe ich bei dem Material immer Angst sie kaputt zu machen. Fürs Lesen kann man sie glücklicherweise hinten einklappen. Besser gefallen hätten mir hier tatsächlich Sprayed Edges, also ein bemalter/bedruckter Buchschnitt, wie er gerade bei den englischsprachigen Buchboxen im Trend ist. In Zusammenhang mit meinem zweiten Kritikpunkt, dem Preis, kann ich mir nicht vorstellen, dass das so viel teurer geworden wäre.
Der Preis von 26€ wurde schon mehrfach kritisiert und auch ich muss dort mit einstimmen. „Das Lied von Vogel und Schlange“ ist und bleibt nunmal ein Jugendbuch, auch wenn die erste Generation Fans inzwischen in ihren Zwanzigern ist. Oetinger empfiehlt das Buch ab 14 Jahren. Schaut man sich nun die empfohlenen Taschengeldbeträge des Jugendamtes ab diesem Alter an, würde dieses Buch alleine das gesamte Taschengeld eines 14-jährigen oder einer 14-jährigen verschlingen. Auch für die etwas ältere Zielgruppe von 16/17 Jahren geht immer noch die Hälfte des empfohlenen Taschengeldbetrages drauf. Das alles lässt noch außer Acht, ob Eltern sich diese Beträge überhaupt leisten können. Ja, es gibt auch Bibliotheken, aber sollten nicht gerade Jugendbücher angemessene Preise für ihre Zielgruppe haben?
Fazit
Mit „Das Lied von Vogel und Schlange“ liefert Suzanne Collins ein Prequel, von dem ich vorher nicht wusste, dass ich es brauchen würde. Mehr als nur einmal habe ich mich selbst hinterfragt. Würde ich ähnlich handeln? Bin ich wirklich so ein guter Mensch, wie ich denke zu sein? Obwohl es sich bei „Das Lied von Vogel und Schlange“ um ein Prequel handelt, würde ich empfehlen vorher die „Die Tribute von Panem“-Reihe zu lesen oder wenigstens die Filme zu schauen.
Wertung
Einen herzlichen Dank an den Oetinger Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars.
„Die Tribute von Panem“-Reihe
Panem X (Prequel)
- Das Lied von Vogel und Schlange
2 Kommentare
buchpfote
Einen wunderschönen guten Abend,
gleich zu Beginn: Deine Rezension ist richtig, richtig gut. Du nimmst die Kritikpunkte der Community auf und teilst mir deine Auffassung darüber mit.
Ich habe schon die ein oder andere Rezension gelesen, aber niemand hat es so beschrieben, dass es ein wenig einer Charakterstudie gleicht. Das gefällt mir.
Genauso die Details zu Nebencharakteren und die Info zu Tigris ist wirklich kein Spoiler 🙂
Liebe Grüße
Tina
BooksonFire
Hallöchen Tina,
danke, es freut mich sehr, dass dir meine Rezension so gut gefallen hat.
Liebe Grüße
Sarah