[Geschichte] Mahpeyker Kösem Sultan – Geliebte. Favoritin. Mutter. Regentin.
Der Harem. Viele Menschen aus dem westlichen Abendland denken da an einen Haufen Frauen, die nur zur Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse des Sultans dienten. Doch in Wirklichkeit war, wie alles was mit einer Dynastie zu tun hat, auch dieser Ort hochpolitisch. Die versklavten Frauen erhielten eine Ausbildung in der türkischen Sprache sowie verschiedenen Künsten, doch nur die Wenigsten kamen dem Sultan überhaupt jemals auch nur nahe. Die meisten wurden entweder an Staatsdiener verheiratet oder dienten den weiblichen Angehörigen der Dynastie. Nur ganz wenige schafften es eine Geliebte des Sultans zu werden, noch weniger die Mutter eines Kind und nur die allerwenigsten die Mutter eines Sultans. Eine Frau, die aber genau diese Karriere hinlegte und sogar zeitweise über das gesamte osmanische Imperium herrschte, war Mahpeyker Kösem Sultan. Wie schaffte sie es in nur einer Lebenszeit mehr zu erreichen als alle ihre Vorgängerinnen?
Die Geliebte – Mahpeyker Hatun
Kösems Leben begann vermutlich als Anastasia auf der griechischen Insel Tinos. Als sie aus ihrer Heimat entführt und nach Istanbul gebracht wurde, war sie wahrscheinlich nicht älter als 15 Jahre. Im Harem angekommen, lernte sie Türkisch und wurde vermutlich in Handarbeiten, verschiedenen künstlerischen Aktivitäten sowie den muslimischen Lehren unterrichtet. Mit ihrem Übertritt zum Islam erhielt sie den Namen Mahpeyker, was in etwa mondgesichtig bedeutet. Irgendwann vor 1605 muss Mahpeyker dem Sultan vorgestellt worden sein. Selten suchte sich ein Sultan seine Geliebten selbst aus, sondern es waren zumeist seine weiblichen Verwandten. In Ahmeds Fall kämen am wahrscheinlichsten seine Großmutter Safiye Sultan und seine Mutter Handan Sultan in Frage. Auch seine Tanten und Schwestern wären denkbar, wobei vor allem seine Schwestern teilweise noch Kinder waren. Jedenfalls gelang es Mahpeyker Ahmeds Interesse zu wecken.
Die Favoritin – Haseki Kösem Sultan
Ahmed benannte Mahpeyker um in Kösem, was in etwa Schaf, welches die Herde anführt, bedeutet. Dies ist ein Hinweis auf den Status, welchen sie bereits zu Lebzeiten ihres Sultans innerhalb des Harems hatte. Doch Kösem war nicht ohne Konkurrenz. Ahmed hatte noch mindestens zwei weitere Geliebte: Mahfiruz, die Mutter von Sultan Osman II., sowie die Mutter von Atike Sultan, die von vielen Historikern nicht Kösem zugeschrieben wird. Dennoch erhielt sie von Ahmed den Titel der Haseki Sultan, der Favoritin des Sultans. Über der Haseki stand im Harem nur die Mutter des Sultans, in diesem Fall Valide Handan Sultan. Die Tanten und Schwestern des Sultans sowie alle anderen Mitglieder des osmanischen Harems waren ihr untergeordnet. Ob Ahmed Kösem auch heiratete, wie einst sein Ururopa Suleyman Roxelane, ist nicht gesichert. Manche Historiker unterstützen diese These, andere nicht.
Da Safiye Sultan, Ahmeds Großmutter, im Januar 1604 aus dem Topkapi Palast in den alten Palast verbannt wurde und Valide Handan Sultan im November 1605 verstarb, war Kösem bereits früh in ihrer Karriere die Frau mit dem höchsten Rang im osmanischen Harem. Ihre einzige Rivalin war Mahfiruz Hatun, die Mutter von Ahmeds ältestem Sohn Osman. Doch auch diese verstarb irgendwann zwischen 1610 und 1620. Es ist möglich, dass sie die Frau war, welche auf Ahmeds Anweisungen hin 1612 ausgepeitscht wurde, weil sie Kösem irritiert habe. Gesichert ist dies aber nicht.
Die Mutter – Kösem Sultan
1605 bekam Kösem ihren ersten Sohn Mehmed. Ob sie vorher bereits die Tochter Geverhan geboren hatte oder erst danach ist unsicher, da die Quellen über osmanische Prinzessinnen eher dürftig sind. Mit der Geburt eines Sohnes stieg Kösem noch weiter in der Harems Hierarchie auf, doch zugleich begab sie sich auch in ein tödliches Spiel. Bisher hatten Sultane mit der Besteigung des Throns ihre Brüder ermordet, so dass die Dynastie nur durch eine Blutlinie weitergeführt werden konnte. Ahmed war der Erste der seinen Bruder leben ließ, vermutlich da er selbst noch sehr jung war und noch nicht bewiesen hatte, dass er Kinder zeugen konnte. Doch ein einmaliger Fall macht noch keine Tradition. So stand Kösem in Opposition zu Mahfiruz, die sich für das alte System einsetzte, dass ihrem Sohn Osman als ältestem Sohn einen Vorteil verschafft hätte. Kösem hingegen fürchtete um ihre Söhne und befürwortete, dass Ahmed vom ältesten männlichen Mitglied der Dynastie beerbt würde, also seinem Bruder.
Die Regentin – Valide Kösem Sultan
Nachdem Ahmed 1617 verstarb, folgten ihm erst sein Bruder Mustafa und dann sein Sohn Osman auf den Thron. Kösem lebte in dieser Zeit mit ihren minderjährigen Kindern im alten Palast, wo sie 1619 auch von Osman drei Tage lang besucht wurde. Dies deutet darauf hin, dass Osman und Kösem in guter Beziehung zueinander standen, da ihr diese Ehre zu Teil wurde. Zwei Jahre später jedoch ließ Osman seinen Bruder Mehmed umbringen. Osman wurde nur ein halbes Jahr später von den Janissaren gestürzt und sein Onkel Mustafa, welcher einst selbst gestürzt worden war, wieder eingesetzt. Doch wieder konnte sich Mustafa aufgrund seines geistigen Gesundheitszustands nicht auf dem Thron halten und wurde erneut entmachtet. Er durfte sein Leben behalten und wurde von seinem erst elfjährigen Neffen und Kösems Sohn Murad beerbt. Kösem war nun Valide Sultan und Regentin über das osmanische Reich. Sie war nun ganz oben, doch von ganz oben ist der Fall umso tiefer.
Kösem war Regentin für Murad bis 1632, als er selbst die Regierungsgeschäfte übernahm. Während seiner Amtszeit und der seines für wahnsinnig gehaltenen Bruders Ibrahim fungierte sie weiter als Oberhaupt des Harems. Für Ibrahim regierte sie sogar eine Zeit und ermutigte ihn die „Dynastie fortzuführen“, was dazu führte, dass er acht Haseki Sultans hatte. 1647 jedoch formte sich Unmut über Ibrahim und Kösem war an einem Plot gegen ihn beteiligt, der jedoch fehlschlug und in ihrer Verbannung aus dem Harem endete. Doch Kösem wäre nicht so weitgekommen, wenn sie einfach aufgegeben hätte. Im nächsten Jahr erfolgte eine Rebellion gegen Ibrahim und Kösem gab ihre Zustimmung ihn des Thrones zu entheben. Ibrahim wurde nur 10 Tage später hingerichtet und sein sechsjähriger Sohn Mehmed wurde Sultan an seiner Stelle.
Die Großmutter – Valide-i Muazzama Kösem Sultan
Nun wäre es eigentlich Zeit gewesen, dass Kösem sich zurückzieht und der neuen Valide Sultan Turhan Hatice das Ruder überlässt. Doch stattdessen präsentierte Kösem Mehmed IV. den Ministern und erklärte sich selbst zum dritten Mal zur Regentin. Turhan Hatice hielt man für zu jung und unerfahren. Doch stille Wasser sind tief. Turhan gelang es den Großwesir sowie den Obersten Schwarzen Eunuchen ihres Haushalts auf ihre Seite zu ziehen. Kösem wurde die junge Frau zu unbequem und Dank Ibrahims acht Hasekis mangelte es ihr nicht an Enkeln. Also plante sie sich Mehmed und damit auch Turhan zu entledigen und sie durch Suleiman und dessen Mutter Aşub Sultan zu ersetzen. Allerdings wurde Turhan vorgewarnte durch Meleki Hatun, einer Dienerin Kösems. Statt Mehmed musste nun Kösem sterben. In wie fern Turhan in ihren Mord verwickelt war, ist unbekannt. Zumindest endete Kösems dritte Regentschaft nach nur drei Jahren mit ihrem Tod.
Die Legende
Heute ruht Mahpeyker Kösem Sultan in der Moschee des Sultans, der ihr diese steile Karriere erst ermöglichte: Ahmed I. Bis heute ist sie eine bekannte Figur der türkischen Geschichte. So wurde ihr Leben in den letzten 10 Jahren zweimal verfilmt, 2010 als „Mahpeyker“ und zuletzt 2016/17 als „Magnificent Century: Kösem“.
Dieser Beitrag entstand ursprünglich als Prüfungsleistung im Wintersemester 2019/20 im Rahmen eines Seminars zu Geschichte und Bloggen. Die Veröffentlichung erfolgte nach der Bewertung und mit ausdrücklicher Erlaubnis des Dozenten. Diese Beiträge werden ebenfalls in Zukunft auf dem studentischen Blog erscheinen. Zu dieser Reihe gehören noch drei weitere Beiträge über Frauen in Machtpositionen:
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